Doc. PhDr.  Jaromír  Zeman, CSc.

Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky

Filozofická fakulta Masarykovy univerzity

 

Satzrahmen, Satzbaupläne und deutsche Wortstellung

Vìtný rámec, vìtné vzorce a nìmecký slovosled

 

Schlüsselwörter:

 

Annotation: Der Artikel beschäftigt sich mit dem Zusammenwirken der Satzbaupläne und der Wortstellung bei der Gestaltung deutscher Sätze im konkreten Akt der mündlichen sowie schriftlichen Kommunikation. Es wird gezeigt, dass der Satzrahmen keinerlei Schwierigkeiten für die Kommunikation bereitet. Hingegen stellt er sowohl beim Dolmetschen als auch im fremdsprachlichen Unterricht ein großes Problem dar.

 

Anotace: Èlánek se zabývá souvislostmi mezi vìtnými vzorci a slovosledem pøi utváøení nìmeckých vìt v konkrétním aktu mluvené i psané komunikace. Je ukázáno, že vìtný rámec nepùsobí pøi komunikaci žádné potíže. Naproti tomu se pøi tlumoèení a výuce nìmèiny pro cizince jeví jako znaèný problém.

 

Satzrahmen, Satzbaupläne und deutsche Wortstellung

 

Wenn ein Tscheche Deutsch lernt, wird er gleich zu Beginn des Lernens - meistens bereits in den ersten zehn Lektionen - durch bestimmte topologische Besonderheiten des Deutschen, wie z.B. die Stellung der infiniten Prädikatsteile, der trennbaren Präfixe und der Negationspartikel nicht im Satz sowie durch weitere Eigentümlichkeiten der Wortfolge überrascht, wenn nicht gar irritiert. Es handelt sich dabei zwar um keine unbegreiflichen Phänomene, wenn sie aber beim Sprechen "automatisch eingesetzt" werden sollen, erfordert ihre Bewältigung beträchtliche Anstrengungen. Zweifellos entsteht dabei der Eindruck, die deutsche Sprache sei in diesem Bereich sehr kompliziert, und diesen Eindruck wird der Tscheche mit den Sprechern anderer europäischer Sprachen teilen - einschließlich der germanischen, das Niederländische freilich ausgenommen. Allgemein bekannt und berühmt sind die kritischen Äußerungen an die Adresse der deutschen Wortstellung aus der Feder Mark Twains.[1] In einem Nachwort zu seiner Reisebeschreibung A Tramp Abroad mit dem bezeichnenden Titel The Awful German Language faßt er seine Erfahrungen mit deutschen Sätzen in folgenden Worten zusammen:

  An average sentence, in a German newspaper, is a sublime and impressive curiosity; it occupies a quarter of a column; ... it treats of fourteen or fifteen different subjects, each enclosed in a parenthesis of its own ... finally, all the parentheses and reparentheses are massed together between a couple of king parentheses, one of which is placed in the first line of the majestic sentence and the other in the middle of the last line of it - after which comes the VERB, and you find out for the first time what the man has been talking about; and after the verb - merely by way of ornament, as far as I can make out - the writer shovels in haben sind gewesen gehabt haben geworden sein, or words to that effect, and the monument is finished.

(Mark Twain, The Awful German Language)[2]   

Wir meinen, daß M.Twain in seinem Bestreben nach Anschaulichkeit mit seiner Kritik am deutschen Satz etwas übertreibt, im Prinzip würden wir ihm aber zunächst zustimmen. Doch entspricht auch in einem Teil seines Satzes, nämlich in dem Nebensatz what the man has been talking about die Wortfolge nicht ganz unseren Erwartungen. Die Präposition about wandert darin an die Stelle hinter dem Verb und befindet sich daher am Ende des Satzes. So erscheint es zumindest auf Grund der tschechischen Übersetzung o èem ten èlovìk mluví (= wovon der Mensch redet). In den Augen der generativen Grammatik (GB), die vorwiegend auf der Basis des Englischen konstruiert ist, wird hingegen das Pronomen (= W-Wort) what "in die CP-Spec-Position bewegt", wobei es in der Tiefenstruktur (= d-structure) eine Spur (trace) hinterläßt,[3] von der freilich der Hörer/Leser keine Ahnung hat. Unsere Bemerkung zu den Ansichten Mark Twains ist nicht als Kritik an seiner "Betrachtung" des deutschen Satzes zu verstehen. Vielmehr soll sie die nur relative Gültigkeit solcher Betrachtungen vor Augen führen. Nach unserem Verständnis ist doch die "vagabundierende" Präposition about am Ende des Satzes eine ähnliche "Unsitte", durch die auch manche deutschen Präpositionen - genauer gesagt ursprüngliche Adverbien oder "trennbare Präfixe" - unangenehm auffallen. Was die analytischen Verbalformen betrifft, so finden sich diese im Englischen eher am Anfang des Satzes, was uns gewiß natürlicher erscheint, in bezug auf ihren Umfang stehen sie jedoch ihren deutschen Entsprechungen keineswegs nach. Man könnte daher sagen: Wenn der deutsche Satz an seinem Ende "monumental" ist (the monument is finished), so ist es der englische fast unmittelbar an seinem Anfang.

In diesem Zusammenhang stellt sich eine andere, unsere Meinung nach viel wichtigere Frage:

Ergeben sich aus der Stellung der Verbalformen im deutschen Satz irgendwelche Schwierigkeiten oder Nachteile für die Kommunikation?

Mit anderen Worten:

Stellt der deutsche Satz mit seinem Aufbau größere Ansprüche an die Aufmerksamkeit und Konzentration des Sprechers und/oder Hörers als es in anderen Sprachen der Fall ist?

Bevor wir auf diese Fragen eine unserer Meinung nach richtige Antwort zu geben versuchen, müssen wir einige Bemerkungen vorausschicken. Es versteht sich von selbst, daß sich mit der zunehmenden Komplexität des Satzes auch die Ansprüche an den Hörer oder Leser erhöhen. Dies trifft wohl für alle Sprachen zu. Als abschreckende Beispiele des deutschen Satzbaus werden jedoch häufig Sätze gewählt, die sogar dem Muttersprachler als problematisch erscheinen. So ist der folgende Satz[4] im geschriebenen Text noch möglich:

Somit ist die von einem konstanten Gleichstrom aus einer leitenden Flüssigkeit abgeschiedene Stoffmenge der durch die Flüssigkeitsmenge transportierten Elektrizitätsmenge proportional.

Sollte dieser Satz in einem Vortrag vorkommen, so müßte er aus Rücksicht auf die Hörer so umformuliert werden, daß die Bestandteile des prädikativen Rahmens sozusagen "in Hörweite" bleiben:

Somit ist die Stoffmenge, die von einem konstanten Gleichstrom aus einer leitenden Flüssigkeit abgeschieden wird, proportional der Elektrizitätsmenge, die durch die Flüssigkeitsmenge transportiert wird.              

In der künstlerischen Prosa kann die Rahmenkonstruktion als Stilmittel genutzt werden. Dafür liefert in seinen Werken der unlängst verstorbene österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard viele schöne Beispiele. Unsere Belegstelle stammt aus seiner Erzählung Amras:

Wir hatten beide sofort nach dem Ende unserer von den Tabletten hervorgerufenen und von zwei Innsbrucker praktischen Ärzten mit, wie sich denken läßt, großer Feierlichkeit entgifteten Ohnmacht, in der Gewißheit, wieder und gegen unseren Willen, also um so entsetzlicher existieren zu müssen, befürchtet, daß die Anfälle Walters, ihm angeborene, von der Mutterseite ererbte, von seiner Extose begünstigte, ihn von Zeit zu Zeit blitzartig mißbrauchende, in den letzten Monaten ganz zum Stillstand gekommene, jetzt im Turm, unter dem Überdruck des uns Zugestoßenen, wieder auftreten könnten ... und tatsächlich traten sie (die infolge seiner wissenschaftlichen Daueranstrengung von ihm hinausgeschobenen) schon nach den ersten Schritten im Turm wieder auf ...[5]  Die Länge des Satzrahmens - oder vielmehr die durch sie hervorgerufene Spannung - scheint den Leser durch ein Labyrinth von Assoziationen zu führen, durch das er dem fiktiven Erzähler, einem erfolglosen Selbstmörder, folgt, den ein ärztlicher Eingriff im letzten Augenblick vor dem Tod noch retten konnte. Diese Spannung, wie sie im deutschen Original vorliegt, geht in der sonst sehr guten tschechischen Übersetzung von Michaela Jacobsenová verloren,[6] weil das Tschechische keine solche Konstruktion in seinem Repertoire hat.

Künstlich konstruierte Sätze in geschriebenen Texten haben allerdings mit der sprachlichen Realität nur relativ wenig gemeinsam. Gehen wir von ihnen aus, so wird das ganze Problem lediglich größer und komplizierter. Für ein besseres Verständnis der Rahmenkonstruktion erweist sich u.a. auch die Berücksichtigung der sprachgeschichtlichen Entwicklung als hilfreich.

Die Entstehung des Satzrahmens, d.h. die Verschiebung des Verbalkomplexes an das Ende des Satzes, blieb auch für die germanistische Sprachwissenschaft lange Zeit ein Rätsel, und sie ist in Einzelheiten bis heute nicht völlig geklärt.[7] Den Ursprung des Rahmens suchte man - vor allem für den Nebensatz - sogar in der indoeuropäischen Ursprache,[8] oder in dem Einfluß des humanistischen Lateins,[9] der durch die Sprache der Kanzleien vermittelt wurde und durch die Werke der Grammatiker im 16. und 17. Jahrhundert an Verbreitung und Wirksamkeit gewann.[10] Zur endgültigen Durchsetzung der Rahmenkonstruktion soll vor allem die Pedanterie der Lehrer und Schulmänner beigetragen haben, nachdem sie sich der Sache angenommen hatten. Auch wenn wir zugeben wollen, daß die erwähnten Fakten nicht ganz unwirksam waren, so meinen wir, daß sie diesen Prozeß zwar begünstigen und beschleunigen, keineswegs jedoch hervorrufen konnten. Die Ergebnisse der neueren Forschung zeigen,[11] daß die Grammatiker den Satzrahmen nicht erfunden hatten, sondern daß sie eine Erscheinung kodifizierten, die in ihrer Zeit in der gesprochenen Sprache bereits geläufig war.[12] Daher müssen wir annehmen, daß sich durch die Entstehung der Rahmenkonstruktion lediglich Tendenzen durchgesetzt haben, die der geschichtlichen Entwicklung der deutschen Sprache immanent sind. Diese Entwicklung resultiert in der linearen Anordnung der Satzelemente, die durch das typologische Muster SOV (= Subjekt-Objekt-Verb) ausgedrückt ist und bei der Subjekt und Objekt in der linearen Kette dem Verb vorangehen. Im eingeleiteten Nebensatz war dieser Prozeß einfacher, und daher verlief er konsequenter,[13] im Hauptsatz setzte er sich mit Hilfe der analytischen Verbformen etwas zaghafter und weniger konsequent schließlich ebenfalls durch.[14] Dabei blieben die grammatischen Morpheme, die vorwiegend in der Personalform des Verbs enthalten sind und Tempus und Modus, zum Teil auch Person und Numerus signalisieren, an ihrer Stelle. Die infiniten Prädikatsteile, die die lexikalische Bedeutung tragen, gelangten hinter die übrigen Satzglieder, vor allem solche, die valenzbedingt sind. Dadurch geriet der Rhemagipfel (rheme proper) in der Regel an die vorletzte Stelle im Satz,[15] was sicherlich auch zur Modifikation der Intonationskurve führte. Die Komplexität und Kompliziertheit des Phänomens sowie die beträchtliche Zeitspanne, bei der es sich, wenn die bescheidenen Ansätze im Alt- und Mittelhochdeutschen[16] berücksichtigt werden, um gut ein Jahrtausend handelt, erlauben es nicht, in dieser Entwicklung immer mit Sicherheit die archaischen Formen von den Neuerungen zu trennen und somit die Ursachen von den Folgen zu unterscheiden, zumal für die ältere Zeit die Zeugnisse in der gesprochenen Sprache fehlen. Unsere leider etwas kurzgefaßte Bemerkung über die Entstehung des Satzrahmens soll lediglich belegen, daß diese Erscheinung im Lichte der Ergebnisse neuerer Forschungen keineswegs als eine Art "Betriebsunfall der Sprachgeschichte" abgetan werden kann,[17] sondern vielmehr als ihr gesetzmäßiges Resultat, was natürlich auch unsere Einstellung zu den oben angeführten Fragen bestimmt. In der Sprache kann nämlich keine Konstruktion entstehen bzw. sich längere Zeit halten, die mit der Tendenz zur Ökonomie der sprachlichen Strukturen in Widerspruch gerät und den glatten Kommunikationsablauf behindert. Wie ist also die häufig vorkommende Meinung - wie etwa die Mark Twains - zu beurteilen, daß erst das Verb uns verrät, what the man has been talking about - wovon die Rede ist. In seinem Artikel über die Satzpläne zeigt Heinrich Erk mit Hilfe eines einfachen Tests,[18] indem er die Verben am Satzende wegläßt, daß diese Behauptung nicht richtig ist. Wir führen hier einen von Erks Sätzen als Beispiel an:[19]

Die Erlernung der Großbuchstaben bereitet tatsächlich ausserordentliche Schwierigkeiten, vor allem deshalb, weil die Handhabung ihrer Regeln immer wieder Entscheidungen ..., welche eine Fähigkeit des kategorialen Denkens beim Lernenden ..., über die das Kind nicht ... .

Nicht nur jeder Muttersprachler wird die ausgelassenen Verben (verlangt, voraussetzen, verfügt) mühelos ergänzen, sondern auch der fortgeschrittene Lerner kann Erfolg haben. Er muß allerdings die sog. Satz(bau)pläne - Kombinationen der Verben mit ihren valenzbedingten Satzgliedern, die einen elementaren, grammatisch vollständigen und sinnvollen Satz bilden - beherrschen. Soweit es sich um Kombinationen von zwei oder mehr Satzgliedern, sog. Aktanten, handelt, läßt sich - wie wir gesehen haben - das dazugehörige Verb aus ihrer Bedeutung und aufgrund der erwähnten Satzbaupläne erschließen bzw. erraten. Semantische und syntaktische Informationen ergänzen sich dabei gegenseitig in wirkungsvoller Weise. Der Hörer oder Leser kennt also das betreffende Verb in den meisten Fällen[20] noch bevor er es zu hören oder zu sehen bekommt. Er braucht daher - um zu wissen, what the man has been talking about - nicht auf dieses Verb zu warten. Daraus ergibt sich, daß die Verbstellung im deutschen Satz auf keinen Fall dem störungsfreien Fluß der Kommunikation irgendwie hinderlich ist.

Es gibt jedoch zusätzlich "sprachliche Tätigkeiten", die sich gewissermaßen "sekundär etabliert" haben und mit denen die Sprache "nicht rechnet". In diesem Bereich ist die Verbstellung des Deutschen ohne Zweifel "eine harte Nuß". Wir denken dabei neben der didaktischen Problematik des fremdsprachlichen Deutschunterrichts, auf die wir noch zu sprechen kommen, vor allem an das Dolmetschen. Die topologische Struktur des Tschechischen erfordert die Anführung des Verbs bereits in einem Augenblick, in dem der Dolmetscher es noch nicht kennt, und er kennt nicht einmal - und das ist der wesentliche Unterschied zur einsprachigen Kommunikation - die dazugehörigen Aktanten, um es zu erraten. Es bleibt ihm also nichts anderes übrig als zu warten und einen mitunter ziemlich langen Abschnitt des Satzes im Gedächtnis zu behalten, was an sein Gedächtnis verständlicherweise große Ansprüche stellt. Bei einem schriftlich formulierten Text, der vorgelesen wird, machen es die spezifischen Eigenschaften der geschriebenen Sprache - die zumeist beträchtliche Satzlänge und der komplizierte Satzbau - geradezu unmöglich, ohne vorherige Einsicht in den Text zu dolmetschen. Der Ursprung dieser Schwierigkeiten ist - wie bereits erwähnt - in erster Linie die unterschiedliche Stellung des Verbs in den beiden Sprachen.

Auf die gleichen Schwierigkeiten stoßen übrigens auch der Lehrer und der Lehrbuchautor. Vor ihnen stand bereits Johann Amos Comenius, als er sein Lehrbuch des Lateinischen für deutschsprachige Schüler konzipierte - das bekannte Werk Orbis sensualium pictus.[21] Wir wollen an einigen Beispielen zeigen, wie der "Lehrer der Nationen" das Problem meisterte. Sein Buch stellt eine Art Lese- und Realienbuch dar, wobei alle Bereiche der Gesellschaft und ihrer Tätigkeit sowie das damaligen Weltverständnis einbezogen sind. Unter einem anschaulichen Bild zu jedem Thema finden sich - wie etwa in modernen Konversationsbüchern - bedeutungsgleiche lateinische und deutsche Sätze, z.B.:

  Postea ibimus in mundum et spectabimus omnia.

  Darnach wollen wir gehen in die Welt und wollen beschauen alleDinge.[22]

  (Danach wollen wir in die Welt gehen und wollen alle Dinge beschauen.)

  Ex aquâ ascendit vapor.

  Aus dem Wasser steigt auf der Dampf.[23]

  (Aus dem Wasser steigt der Dampf auf.)

  E semine procrescit planta.

  Aus dem Samen wächst hervor die Pflanze.[24]

  (Aus dem Samen wächst die Pflanze hervor.)

  Poma decerpuntur à fructiferis arboribus.

  Das Obst wird abgebrochen von den fruchtbaren Bäumen.[25]

  (Das Obst wird von den fruchtbaren Bäumen abgebrochen.)

  Pectus à ventre dividitur crassâ membranâ, quae vocatur diaphragma.

  Die Brust wird unterschieden vom Bauch durch eine dicke Haut, welche genennt wird das Zwerchfell.[26]

  (Die Brust wird vom Bauch durch eine dicke Haut unterschieden, welche das Zwerchfell genannt wird.)

In den angeführten Beispielsätzen stehen die Verbalformen und andere Bestandteile des Satzrahmens in der sog. Kontaktstellung, d.h. unmittelbar nacheinander. Diese Anordnung kam keinesfalls zufällig zustande, sondern sie war das Ergebnis einer zielbewußten Planung. Comenius lebte als Zeitgenosse von H.J.Ch. von Grimmelshausen in einer Zeit, in der der Satzrahmen immer noch seine fast absolute Herrschaft behauptete.[27] Sein Gebrauch war jedoch wahrscheinlich nicht in dem Maße bindend, daß er die Nachahmung eines lateinischen Vorbildes ausschloß. Daher konnte Comenius seinen Orbis pictus nicht nur als ein Lehrbuch der lateinischen, sondern auch eines der deutschen Sprache betrachten,[28] die er - wie sich seinen biographischen Daten entnehmen läßt - gut beherrschte.[29]

Die parallele Anordnung von inhaltsgleichen Sätzen findet sich in den Lehrbüchern auch in der Gegenwart. In modifizierter Form benutzt sie z.B. in den ersten vier Lektionen seines Lehrbuchs des Norwegischen auch Kjell Bjørnskau.[30] Unter dem norwegischen Text stehen in jeder Zeile phonetische Transkription und wörtliche Übersetzung ins Deutsche. Wir bringen hier zwei Beispiele zur Illustration:

  Konduktøren: Har De fått bilett?

  Schaffner: Haben Sie bekommen Fahrschein?[31]

  Fru Nilsen, jeg kan ikke få låne støvsugeren, vel?

  Frau Nilsen, ich kann nicht bekommen leihen den Staubsauger, wohl?[32]

Wie die angeführten Beispielsätze zeigen, könnten aus einem solchen Lehrbuch heute die Norweger gewiß nicht Deutsch lernen. Dies u.a. auch deshalb, weil die Ausrahmung des Subjekts und der Kasusobjekte, wie sie zu Comenius' Zeiten noch vorkam, in der Gegenwartssprache praktisch nicht mehr möglich ist. Der Satzrahmen hat sich in diesem Bereich mit unerbittlicher Konsequenz durchgesetzt. Um so klarer wird der deutschsprachige Lerner die Unterschiede zwischen dem Norwegischen und seiner Muttersprache erfassen. Die Unterrichtsmethode, deren sich Johann Amos Comenius in seinem Lehrbuch bediente, hat an ihrer Wirksamkeit nichts eingebüßt.                         

 

Bibliografický údaj: ZEMAN, J. Satzrahmen, Satzbaupläne und deutsche Wortstellung. Pøijato do tisku pro Brünner Beiträge zur Germanistik und Nordistik R 10.             



[1]M.Twain (1907): A Tramp Abroad. In Two Volumes, Vol. II, New York (= Author's National Edition: The Writings of Mark Twain. Volume XIV), S. 270 f.

[2]Zit. nach J.Macheiner (1998): Das Grammatische Varieté oder Die Kunst und das Vergnügen, deutsche Sätze zu bilden. Frankfurt am Main, S. 127.

[3]Vgl. z.B. G.Grewendorf (1988): Aspekte der deutschen Syntax, Eine Rektions-Bindungs-Analyse. Tübingen, S. 85 ff., v.a. S. 87.

[4]Das Beispiel ist zitiert nach: Ausdruckslehre, Lehrbuch für Deutschunterricht an Ingenieur- und Fachschulen. Autorenkollektiv, Federführung: K.Kießling; 5., verbesserte und teilweise neubearbeitete Aufl., Leipzig 1966, S. 177 f.

[5]Thomas Bernhard: Amras. Suhrkamp Taschenbuch 1506, 1. Aufl. 1988, S. 12.

[6]Thomas Bernhard: Tøi novely. Ungemach, Amras, Moušlování. Edice støed, Prostor 2000, S. 92:

Hned jak jsme se probrali z mdlobného omámení, vyvolaného prášky, z nìhož nás s velkou pompou, jak se dalo èekat, vyléèili dva praktiètí lékaøi z Innsbrucku, uvìdomili jsme si, že musíme opìt a proti své vùli, a tedy o to strašlivìji dál existovat, a zaèali jsme se obávat, že teï ve vìži pod pøetlakem událostí opìt vypuknou Waltrovy vrozené záchvaty, dìdictví z matèiny strany, podporované jeho exostózou, záchvaty, které ho èas od èasu drtily jako blesk a v posledních mìsících zcela utichly... a skuteènì se hned po prvních krocích ve vìži znovu dostavily (dosud je oddaloval systematickým vìdeckým úsilím)...

[7]Vgl. A.Betten (1987): Grundzüge einer Prosasyntax. Stilprägende Entwicklungen vom Althochdeutschen zum Neuhochdeutschen. Tübingen, S. 134.

[8]Vor allem W.Braune; vgl. die Kritik von O.Behaghel (1930): Von deutscher Wortstellung. In: Zeitschrift für Deutschkunde, 44. Jg. der Zeitschrift für den deutschen Unterricht, Leipzig/Berlin, S. 82. Außerdem C.Biener (1922): Wie ist die nhd. Regel über die Stellung des Verbums entstanden? In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 59, S. 165-179. 

[9]Vgl. a.a.O: O.Behaghel (1930).

[10]Vgl. C.Biener (1922), a.a.O., S. 174. Außerdem E.Timm (1986): Der 'Knick' in der Entwicklung des Frühneuhochdeutschen aus jiddischer Sicht. In: Akten des VII. Inter. Germ.-Kongr., Göttingen 1985, Bd. 5, S. 27.

[11]Vgl. z.B.: R.P.Ebert (1980): Social and Stylistic Variation in Early New High German Word Order: The Sentence Frame ('Satzrahmen'). In: PBB (Tübingen), Bd. 102, S. 357-398.

R.P.Ebert (1981): Social and Stylistic Variation in the Order of Auxiliary and Nonfinite Verb in Dependent Clauses in Early New High German. In: PBB (Tübingen), Bd. 103, S. 204-237. 

[12]Vgl. R.P.Ebert (1986): Historische Syntax des Deutschen II: 1300 - 1750. Bern, S. 115: "Wie beim Nebensatz war auch beim Hauptsatz der vollständige Rahmen längst die weitaus herrschende Variante, als die deutschen Grammatiker ihn erwähnten und empfahlen."

[13]Vgl. J.E.Härd (1981): Studien zur Struktur mehrgliedriger deutscher Nebensatzprädikate, Diachronie und Synchronie. In: Göteborger germanistische Forschungen 21.

[14]Vgl. R.P.Ebert (1986), a.a.O., S. 110-115.

[15]Vgl. J.-M.Zemb (1978): Weder SVO noch SOV. Von einer ptolemäischen zu einer kopernikanischen Analyse. In: Sprachwissenschaft 3, vor allem S. 292-296.

[16]Vgl. A.Betten (1987), a.a.O., S. 123, 127 und 129.

[17]Vgl. H.-W.Eroms (1993): Hierarchien in der deutschen Satzklammer. In: J.-F.Marillier (Hg.): Satzanfang - Satzende. Syntaktische, semantische und pragmatische Untersuchungen zur Satzabgrenzung und Extraposition im Deutschen. (= Eurogermanistik 3), Tübingen, S. 17 f.

[18]Vgl. H.Erk (1978): Satzpläne in wissenschaftlichen Texten. In: Wirkendes Wort 3, S. 164 ff.

[19]Vgl. H.Erk (1987), a.a.O., S. 164. Es handelt sich um die Testsätze 9 bis 12.

[20]Als Ausnahme müssen natürlich solche Sätze gelten, in denen das Verb den Rhemagipfel liefert und daher meistens nicht vorhersagbar ist.

[21]Johannis Amos Comenii Opera Omnia. Bd. 17, Praha 1970.

[22]Vgl. a.a.O., S. 69, Satz 11.

[23]Vgl. a.a.O., S. 78, Satz 1.

[24]Vgl. a.a.O., S. 84, Satz 1.

[25]Vgl. a.a.O., S. 86, Satz 1.

[26]Vgl. a.a.O., S. 116, Satz 10.

[27]Vgl. R.P.Ebert (1986), a.a.O., S. 109 f.

[28]Vgl. J.A.Comenii Opera Omnia (1970), a.a.O., S. 64: "So wird auch dies Büchlein dienen, wann es in den deutschen Schulen deutsch gebraucht wird, die ganze Muttersprach aus dem Grund zu erlernen: weiln durch vorgedachte Beschreibung die Wörter und Redarten der Sprache jedes und jede an seinem Ort angeführt werden."

[29]Vgl. J.A.Comenii Opera Omnia (1970), a.a.O., S. 290. 

[30]K.Bjørnskau: Langenscheidts Praktisches Lehrbuch Norwegisch. 6. Aufl., Berlin/München/Zürich 1975.

[31]Vgl. K.Bjørnskau (1975), a.a.O., S. 31.

[32]Vgl. K.Bjørnskau (1975), a.a.O., S. 35.